DAM-Pilotmission MGF-Nordsee: Ausschluss mobiler, grundberührender Fischerei in Schutzgebieten der Deutschen AWZ der Nordsee

Hintergrund

In der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee befinden sich drei Gebiete, die als Natura 2000-Schutzgebiete ausgezeichnet sind. Unter dem Programm Natura 2000 versteht man ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union. Zusammen mit der Vogelschutzrichtlinie regelt die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in den Natura 2000 Gebieten den Schutz von gefährdeten wildlebenden Pflanzen und Tieren in ihren natürlichen Lebensräumen. Seit September 2017 sind die marinen Natura 2000 Gebiete der AWZ durch sechs Schutzgebietsverordnungen national als Naturschutzgebiete unter Schutz gestellt. Naturschutzgebiete im Meer werden international als Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas – MPA) gemeldet. Insgesamt umfassen die Nordsee-MPAs „Doggerbank“, „Borkum Riffgrund“ und „Sylter Außenriff –  Östliche Deutsche Bucht“ eine Fläche von 7.920 km² und damit ca. 28 Prozent der AWZ der Nordsee.

Nutzung von Marine Protected Areas

MPAs bedürfen einer Steuerung der Meeresnutzungen, wie etwa Freizeitfischerei und kommerzielle Fischerei, durch Managementpläne, in denen Schutzmaßnahmen und deren Umsetzung aufgeführt sind. Schutzmaßnahmen in MPAs sind weltweit nicht einheitlich geregelt, folgen aber in Europa einem vorgegebenen Rechtsrahmen. Generell sind Nutzungen in MPAs zulässig, wenn sie dem Erreichen der gebietsspezifisch festgelegten Schutzziele nicht im Wege stehen. Im Ergebnis werden daher in manchen Gebieten Nutzungen wie Fischerei nicht geregelt, begrenzt oder Schonzeiten verhängt, in anderen herrscht wiederum ein komplettes Fangverbot. Für die Umsetzung in den Natura 2000 Gebieten innerhalb der AWZ ist in Deutschland der Bund zuständig - vertreten durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU); wobei das BfN direkt verantwortlich für die Umsetzung der Managementpläne der Schutzgebiete in der AWZ ist. Die Umsetzung der eigentlichen Schutzmaßnahmen erfolgt in der Zuständigkeit der jeweils dafür zuständigen Behörden (https://www.bfn.de/themen/meeresnaturschutz/nationale-meeresschutzgebiete.html). Die Managementpläne für die drei MPAs in der AWZ der Nordsee sind im Mai 2020 in Kraft getreten.

Einfluss von mobiler, grundberührender Fischerei

Bei der sogenannten mobilen grundberührenden Fischerei (MGF) werden häufig Grundschleppnetze eingesetzt.  Auswirkungen auf Meeresökosysteme haben vor allem deren Scherbretter, welche dazu dienen das Netz horizontal offen zu halten. Scherbretter pflügen durch das Sediment und haben dadurch negative Auswirkungen auf die Sedimente und Organismen am Meeresboden. Verhandlungen zum Ausschluss von MGF finden im Rahmen der europäischen gemeinsamen Fischereipolitik auf EU-Ebene und in Absprache mit den Nachbarstaaten statt.

In den zwei Nordsee-Schutzgebieten Borkum Riffgrund, sowie Sylter Außenriff-Östliche Deutsche Bucht ist der Einsatz von MGF in großen Teilen seit März 2023 ausgeschlossen worden.

Unsere Forschung

In den Forschungsprojekt MGF-Nordsee bot sich nun die einmalige Gelegenheit, zu verfolgen, wie sich durch menschliche Nutzung stark beeinflusste benthische Habitate nach einem Ausschluss von MGF entwickeln. Hierzu wurde zunächst in Phase I des Projektes ein umfassender Basiszustand der Gebiete als Referenz untersucht und dokumentiert. Nun können wir in Phase II verfolgen, wie sich Lebensgemeinschaften, Meeresbodenmorphologie, Biogeochemie der Meeressedimente und Austauschprozesse zwischen Sediment und Wassersäule ohne weitere Störungen entwickeln. Solche Einflüsse auf MPAs und marine Ökosysteme sind bisher kaum untersucht und die Ergebnisse bieten eine wichtige Grundlage für ein zukünftiges, angepasstes Management der Schutzgebiete in Nordsee.

Unsere Arbeiten verfolgen einen modernen, ganzheitlichen Ansatz, der alle Bestandteile des Ökosystems einbezieht, um die Effekte eines MGF-Ausschlusses zu untersuchen. Die Daten der sollen die Basis des zukünftigen Monitorings in den Gebieten sein, mit dem Statusveränderungen rechtzeitig erkannt und ggf. Gegenmaßnahmen bzw. weitere Schutzmaßnahmen ergriffen werden können.

Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume

Die Pilotmission, die in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) erfolgt, ist Teil der Forschungsmission „Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume“ (sustainMare) der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Die DAM verbindet 22 führende deutsche Meeresforschungseinrichtungen mit dem Ziel, den nachhaltigen Umgang mit den Küsten, Meeren und Ozeanen durch Forschung, Datenmanagement und Digitalisierung, Koordinierung der Infrastrukturen und Transfer zu stärken. Dafür erarbeitet die DAM gemeinsam mit ihren Mitgliedseinrichtungen lösungsorientiertes Wissen und vermittelt Handlungsoptionen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Sie wird gefördert durch den Bund und die norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.